Eiskunstlaufen

Wann ist es eigentlich zu viel mit den Hobbies? Darf das Hobby eines Kindes die ganze Familie einspannen und muss man drumherum planen? Sylvi von momsfavoritesandmore berichtet darüber, wie ihre ganze Familie für das Hobby ihrer Tochter gelebt hat und wann sie die Reißleine zogen.

„Mama, das möchte ich auch machen! Unbedingt, bitte!!!“

Ich erinnere mich noch gut an den Tag als wir gemeinsam mit unserer Tochter bei einem Eismärchen waren. Sie war fünf und ganz fasziniert von den grazilen Bewegungen, dem Tanz auf dem Eis und ihre Augen leuchteten. Wir wohnten damals in einer kleinen Stadt, eine Eishalle gab es dort nicht und deshalb musste ich sie vertrösten. Ein Umzug stand kurz bevor und ich gab ihr das Versprechen, dass wir in der neuen Stadt ja dann mal schauen können, ob sie dort das Eislaufen lernen könnte. Eigentlich hatte ich gehofft, sie würde es wieder vergessen, aber das tat sie nicht. Dieser Wunsch saß tief, es war einfach ein Herzenswunsch. Ich erkundigte mich und bereits zwei Wochen vor unserem Umzug begann sie mit einem Lauflernkurs. Ein bisschen Schlittschuhlaufen lernen, kann ja nicht schaden dachte ich, doch es blieb nicht dabei. Schnell war sie in der Anfängergruppe, dann in der leistungsorientierten Gruppe und kurz darauf tatsächlich quasi Leistungssportlerin. Sie liebte es und wäre am liebsten den ganzen Tag auf dem Eis gewesen. Das harte Training nahm sie in Kauf. Sechs Tage die Woche Eishalle + Athletiktraining. 2-3 Stunden täglich waren normal. Dazu kamen im Sommer Fahrten nach Chemnitz und Trainingslager. Im Grunde nahm es uns als Familie völlig ein und wir alle lebten für diesen Sport – für sie. Nicht nur in der Woche, sondern auch Samstag waren wir in der Eishalle, morgens um 7 Uhr. Urlaub verbrachten wir in der Eishalle.  Feiertage? Eishalle. Wenn ich heute darüber nachdenke, frage ich mich wie wir in diese Spirale gelangen konnten. Ja, sie war gut und ja, es machte ihr Spaß, aber wir krochen auf dem Zahnfleisch. Sie war Landeskader und wir genauso stolz auf ihre Leistung, wie sie persönlich.

Doch es war kein Hobby mehr!

Das Eiskunstlaufen beschäftigte uns morgens, mittags, abends und sei es nur wegen der Koordinierung der ganzen Termine. Bei uns war es zumindest so, dass der Wunsch vom Kind aus ging, aber ich habe auch genügend typische Eislaufmuttis kennengelernt.  Überehrgeizige finanziell gutsituierte Hausfrauen, die ihre eigenen Träume auf ihre Kinder übertrugen. Noch schlimmer als dies empfand ich aber den Neid und die Missgunst, die in diesem Sport oft herrscht. Da wird die Konkurrenz beäugt und kommentiert, dabei handelt es sich um Kinder und es sollte doch eigentlich darum gehen, dass die Kinder Spaß an der Bewegung haben. Wie gesagt, dies sind meine Erfahrungen gewesen und ehrlich gesagt bin ich froh, dass wir mittlerweile nicht mehr Teil dieser Welt sind. Der Ausstieg damals war schwer, denn er war eher unfreiwillig. Unsere Tochter hätte nach Chemnitz wechseln müssen und das kam für uns nicht in Frage. Wir mussten ihr also sagen, dass sie ihren Traum nicht weiterträumen kann. Das ist für Eltern besonders schwer und es war keine einfache Zeit. Noch immer versucht sie Fragen zum Thema Eiskunstlaufen abzubloggen. Klar geht es ihr gut und sie hat neue Hobbies, aber das Eiskunstlaufen war einfach ihr Herzenswunsch.

Jetzt hat sie Hobbies!

Sie wechselte zum Tanz. Erst dreimal pro Woche, mittlerweile nur noch zweimal die Woche. Wir als Familie haben Wochenenden, können unseren Urlaub frei planen und es ist eben nur eine Freizeitbeschäftigung. Die große Frage, die sich mir manchmal stellt, wenn ich über unsere Eiskunstlaufvergangenheit nachdenke ist: Wie viel ist zu viel? Wie sieht ein gutes Gleichgewicht zwischen tatsächlich freier Zeit und Hobby aus. Denn das eine ist es Leistungssport zu betreiben, aber es gibt ja auch genug Eltern, die mit Chinesisch für Babys, Kindertanzen uvm. die Nachmittage ihrer Kinder verplanen. Förderwahn von Beginn an. Wie viel Hobby ist genug?

Aus meiner Sicht sollte man sich an dem Kind orientieren. Was für den einen genau richtig ist, kann für ein anderes Kind viel zu viel sein. Auch sollte man möglichst darauf achten, dass auch noch Zeit für Verabredungen mit Spielfreunden bzw. zum freien Spiel bleibt. Dies war während unserer Eiskunstlaufzeit nicht gegeben. Heute finde ich es viel optimaler. Sie kann tanzen, was ihr ja auch Spaß macht und hat auch einige Nachmittage an denen sie sich verabreden kann. In jedem Fall sollte man aber keinen Druck auf die Kinder ausüben. Leider ist mir auch dies öfter in den Eishallen begegnet. Wenn Kinder aus freien Stücken viel Sport treiben oder musizieren, ist das völlig ok, aber Druck ausüben, ist immer der falsche Weg.

Mittlerweile ist unsere Eiskunstlaufzeit schon wieder über 2 Jahre her und oft frage ich mich, wie wir das damals nur alles geschafft haben und vor allem frage ich mich, wie unsere Tochter das geschafft hat.

Vermutlich, weil sie dafür gelebt hat und jeden Tag mit Freude zum Training ging.

Hobby

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